Kreistagsfraktion

Kreistag: Haushaltsrede 2023

14.03.2023 · von Martina Esser
Martina Esser
Martina Esser
Rede zum Haushalt 2023, 08.03.23

Sehr geehrter Herr Kreistagsvorsitzender, 
sehr geehrter Herr Landrat,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Kreistag, 
sehr geehrte Damen und Herren,

der Haushalt des Landkreises ist immer auch vor dem Hintergrund des Weltgeschehens zu betrachten.

Als wir im Dezember 2021 den letzten Haushalt aufgestellt haben, hofften wir, dass nach den kräftezehrenden Jahren der Pandemie wieder Stabilität einkehren würde, und man sich wieder den vertrauten Herausforderungen des Klimawandels, des Artensterbens, des demografischen Wandels, Fluchtbewegungen und, und, und zuwenden können wird.

Ja, das waren schon keine rosigen Aussichten. Aber dann kam der 24.02.2022. Seit nunmehr über einem Jahr wird die demokratische Republik Ukraine vom Massenmörder und Kriegsverbrecher Putin und seinen Truppen unerbittlich angegriffen. Mittlerweile sind große Teile der Ukraine zerstört, zahllose Menschen sind gestorben, millionen Menschen sind auf der Flucht. Als Kind der 70er/80er Jahre waren eigentlich mein ganzes Leben lang „Sicherheit und Frieden in Europa“ irgendwie selbstverständlich. Seit einem Jahr gilt das nicht mehr. Das hat Auswirkungen in der ganzen Welt– und auch hier in Friesland.

Wir sind mit neuen Krisen konfrontiert, auf die wir noch nach Antworten suchen. Seien es die Inflation, die Energiekrise, Materialknappheit, steigende Lebensmittelpreise, oder die gute Versorgung der vielen Menschen, denen wir vor dem russischen Terror Schutz bieten wollen. Besonders Kinderarmut und Altersarmut verschärfen sich aktuell auf dramatische Weise, aber auch in der Mittelschicht muss der Cent nun dreimal umgedreht werden. Deshalb haben wir als Mehrheitsgruppe den Antrag der Linken Fraktion zur Erstellung des Mietspiegels für Friesland gerne unterstützt.

Einen Haushalt in diesen Zeiten aufzustellen ist eine Herkulesaufabe. Ich möchte das würdigen und mich bei der Kreisverwaltung an dieser Stelle für Ihre Arbeit und den vorgelegten Haushaltsentwurf sehr bedanken. Wir Kreistagsabgeordnete haben alle einen kurzen Draht in die Städte und Gemeinden und kennen auch die Finanzlagen dort. Deshalb bedanke ich mich besonders bei unserem Landrat, der sich so sehr um eine einvernehmliche Lösung bezüglich der Höhe der Kreisumlage bemüht hat. Der Abwägungsprozess war in diesem Jahr besonders schwierig, aber ich denke, dass wir alle Seiten sehr sorgfältig betrachtet haben.

Vorweg: eine gute Lösung kann es in diesem Jahr nicht geben. Aus Kreissicht hätte die Kreisumlage deutlich höher angesetzt werden müssen, aber 8 Punkte – nicht vorstellbar. Aus Sicht der meisten Kommunen hätten wir eine Erhöhung am liebsten ganz vermieden. Die Erhöhung der Kreisumlage auf nunmehr 53 Punkte für dieses Jahr ist aus meiner Sicht vertretbar und nimmt sehr deutlich Rücksicht auf die ebenfalls schwierigen Haushaltslagen der Städte und Gemeinden.

An dieser Stelle möchte ich auf die Brisanz der Haushaltslage aufmerksam machen. Im Idealfall ist der Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit im Finanzhaushalt mindestens so hoch, wie die Summe der Abschreibungen. Für 2023 ist der Saldo negativ und die Differenz größer als 10 Mio. €. Für eine kurze Zeit lässt sich das verkraften, denn der Landkreis war in den Vorkrisenjahren solide aufgestellt. Aber auf lange Sicht bedeutet das Raubbau an der Substanz.  So weit darf es nicht kommen.

Ich komme nun zu der aus meiner Sicht wesentlichen Ursache:  es fehlen die Einnahmen. Das klingt simpel, ist es aber nicht. In vielen Aufgabenbereichen ist die Situation inzwischen durch eine permanente Unterfinanzierung finanziell kritisch. Beispielsweise Kinderbetreuung, Nahverkehr, Schulen, Gesundheitssystem, Wohnraum, Jugendhilfe, Eingliederungshilfe für Behinderte Menschen, JobCenter, Wohngeld. Deshalb müssen die Kommunen, die Städte, Gemeinden UND die Landkreise, jetzt kurzfristig entlastet werden, damit sie ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge für die Menschen auch im kommenden Jahr erfüllen können. Das kann man nicht oft genug wiederholen.

Die vom Land beschlossenen Entlastungen für Vertriebene aus der  Ukraine und die Beteiligung an den Vorhaltekosten für die Unterbringung Geflüchteter und den Kosten der Unterkunft sind ein Anfang, aber sie sind bei weitem nicht genug. Die Kommunen brauchen eine verlässliche Vollfinanzierung.

Das gilt genau so für andere Aufgaben, die vom Bund veranlasst sind. Es kann nicht richtig sein, dass es von der Finanzkraft der Gemeinde abhängt, wie es den Menschen dort geht. Nicht alle Betriebe wohnen an der Goldgrube und spülen entsprechende Steuereinnahmen in die öffentlichen Kassen.

In diesem Haushalt 2023 haben wir alle notwendigen Investitionen nach Möglichkeit verschoben. Das lässt sich aber nicht beliebig fortführen. Weil wir aber nicht wissen, ob unsere Rufe gehört werden, müssen wir uns, im  Sinne von Planbarkeit und Zuverlässigkeit, vorsorglich auf ein 2024 im Krisenmodus vorbereiten. Falls die Kommunen für ihre Aufgaben nicht auskömmlich finanziell ausgestattet werden, brauchen wir Antworten auf die Frage, was wir uns in Zukunft in Friesland noch leisten können.

Wie sichern wir die Daseinsvorsorge unserer Menschen? Wie sorgen wir für gerechte, gleiche Lebensbedingungen in Friesland? Diese Fragen werden wir im Schulterschluss mit den Städten und Gemeinden beantworten, denn unsere Entscheidungen im Kreis werden sich vor Ort in den Städten und Gemeinden auswirken.


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