Politischer Stammtisch der Jeverländer Grünen „on Tour“ in Wayens: Aus einer großen „Schweinerei“ wurde ein Energiepark für die Zukunft
Dass hier einmal über 900 Schweine lebten und wuchsen, davon ist heute nichts mehr zu sehen. Dafür aber zwei mächtige Fermenter, ein Nachgärer und mehrere Blockheizkraftwerke. Daneben eine große Lagerstätte für jede Menge Mist, zwei Windenergieanlagen und eine große Halle mit PV-Anlagen auf dem Dach.

In jedem Fall ist das genug Potential für einen „Grünen Stammtisch on tour“. Der Grüne Stammtisch des Ortsverbandes Jeverland von Bündnis 90 / Die Grünen ist inzwischen ein fester Begegnungs- und Diskussionsort für aktuelle und auch kontroverse Themen. Und jedes Mal sorgt Ratsfrau Almuth Thomßen für fachlich versierte Referentinnen und Referenten. Trifft sich der Stammtisch in der Regel im Parkhotel in Jever, hatte Almuth Thomßen für dieses Treffen ins Wangerland eingeladen, um den Energiepark der Familie Gerken in Wayens kennenzulernen. Hier konnten Grüne und Interessierte praktisch erleben, wie erneuerbare Energien auf dem Land erzeugt werden, und das schon seit über 30 Jahren. Der Kontakt war durch das grüne Ratsmitglied Reiner Tammen aus dem Wangerland schnell hergestellt, haben Reiner Tammen und Familie Gerken durch Tammens langjährige Ratsarbeit doch seit vielen Jahren einen guten Kontakt.
Neben Fritz Gerken, seiner Frau Helma und Sohn Gero gehören vier festangestellte Mitarbeiter zum Team des Energiehofes. Nach einer kurzen Einführung und einem Blick auf die Schaltzentrale der Anlage, von der aus sich über große Bildschirme die Abläufe der Biogasanlage kontrollieren und steuern lassen, geht es in einem Rundgang über die weitläufige Anlage. „Die älteste Windkraftanlage (WKA) stammte noch aus den 90er Jahren. Das war damals mit 75 KW die erste WKA im Wangerland. Seit 2020 ist sie aus der Förderung raus“, erläutert Fritz Gerken, „seitdem kriegen wir nur 2 Cent pro KW/h als Einspeisevergütung. Die Anlage ist jetzt zu klein. Deshalb nutzen wir 30 Prozent des produzierten Stroms aus den beiden WKA für die Biogasproduktion“, und zeigt auf eine neuere Anlage. Doch auch sie soll demnächst bereits repowert werden, „die neue hat dann 6 MW Leistung.“ Weiter geht es zum Mistlager. Fritz Gerken erklärt das Konzept: „Wir haben 30 Container bei Landwirten stehen, darin holen wir den Mist hierher. Es gibt viele Grünlandbetriebe, die keine Äcker haben und im Winter können die Landwirte den Mist wegen der neuen Düngeverordnung nicht ausbringen. Deshalb haben wir manchmal auch zu viel Mist, den lagern wir hier“. Aus dem Lager wird der Mist in eine Art Häcksler gebracht und dort geschreddert, um anschließend mit einer sich drehenden Spirale, der „Schnecke“ in den Gärraum der Biogasanlagen zu gelangen.
Auf dem Weg zu den verschiedenen Generatoren erzählt Fritz Gerken mehr über die Geschichte des Hofes. Bis in die 2000er Jahre gab es hier eine Schweinehaltung mit bis zu 900 Schweinen, die bei der Schlachterei Oltmanns in Jever verarbeitet wurden. Dann fielen die Preise, in den Supermärkten wollten die Verbraucher lieber Billigfleisch aus Osteuropa haben. „Wir haben dann überlegt, einen neuen Schweinestall zu bauen, in dem die Schweine auf Stroh gehalten werden.“ Diese Haltung wäre allerdings auch teurer geworden, doch die Schlachtereien winkten ab: zu teuer.“ So kamen die Gerkens auf die Biogasanlagen. „Wir haben damals mit 360 KW angefangen, mit zwei LKW-Motoren à 180 KW. 2007 kamen neue Motoren mit einem besseren Wirkungsgrad. Heute hat ein Blockheizkraftwerk (BHKW) 900 KW, nach einem Umbau läuft es wieder. Dazu gibt es noch ein weiteres BHKW. „Die brauchen wir alle für die Produktion von Energie. Dazu gibt es noch eine Solaranlage mit 60 KW Leistung für den Eigenstrom.“ Wenn es einmal eine sogenannte Dunkelflaute gibt, also nachts kaum Windenergie erzeugt werden kann, kann aus dem Energiepark Wayens über die BHKW Energie ins Netz eingespeist werden. „Jetzt sind wir dabei, zusätzlich einen Speicher zu installieren“, erläutert Fritz Gerken, „er soll eine Speicherkapazität von drei Tagen haben“. Dann ist jede Dunkelflaute vorbei.
Allerdings sind der Energieproduktion derzeit noch regulatorische Grenzen gesetzt: „Wir haben eine Höchstbemessungsleistung von 650 kW. Als privilegierte Landwirtschaft dürfen wir 2,3 Millionen m³ Gas pro Jahr produzieren, das sind dann 650 KW.“ Doch in Wayens ginge noch mehr. Die Anlagen auf dem Hof der Gerkens werden über die Strombörse in Leipzig gesteuert und geregelt. Der Strom wird dann verkauft, wenn er benötigt wird. Es ist möglich, das Gas für 12 Stunden in den Gaslagern der Anlage zu speichern und dadurch den Strom bedarfsgerecht zu verkaufen. „Mit Hilfe der Broker in Leipzig gelingt das meistens. Das Problem an diesem Standort hier im Wangerland ist, dass die Stromnetze die Energie nicht immer aufnehmen können, wenn alle Windkraftanlagen voll einspeisen. Auch die stromgeregelte Biogasanlage in Wayens wird dann durch die Netzleitstelle der EWE in Oldenburg vom Netz getrennt und wir müssen dann das überschüssige Gas abfackeln,“ sagt Fritz Gerken mit einem Stirnrunzeln. „Wir haben das Problem, dass wir nicht wissen, wann diese Schaltungen vorgenommen werden. Sie führen dazu, dass wir unsere Prognose in Leipzig nicht einhalten können. Dazu muss man wissen, dass der Strom, der gerade produziert wird, bereits verkauft ist. Im Abschaltfall muss der Broker als für Ersatzenergie sorgen. Und wir wissen oft nicht, wann wir die Biogasanlagen füttern können.“
Schnell wird den Gästen deutlich, dass Leben und Arbeiten auf dem Energiehof nur noch wenig mit der klassischen Landwirtschaft zu tun hat. Nach dem Rundgang treffen sich die Gäste mit der Familie bei Tee und Kuchen im Wohnzimmer der Gerkens, um noch weitere Details zu erfahren. Fritz Gerken sprüht weiter voller Ideen, wie sich die Energieproduktion ausbauen und verbessern lässt. Und das, obwohl er und seine Frau Helma Gerken planen, die Verantwortung für den Energiepark im nächsten Jahr an ihren Sohn übergeben zu wollen. Gero Gerken ist bereits jetzt voll einbezogen in alle Prozesse und Entscheidungen. Darauf angesprochen strahlt er und freut sich auf die wachsenden Aufgaben. Ebenso wie sein Vater ist er Optimist. Und das liegt auf dem Energiehof quasi auf der Hand, gibt es doch hier den Optimist zum Mitnehmen: Sozusagen als Abfallprodukt aus der Biogasherstellung ist Gerkens „OptiMIST“ ein 100 prozentiger organischer Naturdünger aus Kuhmist, Gras und Stroh und damit ein idealer Dünger für den heimischen Garten.
Mehr Informationen unter https://gruene-friesland.de/.