Kreisverband, Jeverland

Jeveranerin war Beraterin der ARD-Doku-Soap: Enne Freese über ihren Weg von der „Bräuteschule“ zur Grünen Politik - Volles Haus beim Politischen Stammtisch in Jever

25.03.2025 · von Reiner Tammen

Dass Enne Freese einmal im fortgeschrittenen Alter den Weg zu Bündnis 90 / Die Grünen finden würde, damit hat sie vermutlich selbst nicht gerechnet. Denn wenn sie eine wichtige Entscheidung trifft, dann lässt sie sich dafür ausreichend Zeit. Doch Anfang 2025 war es schließlich so weit. Zielstrebig steuerte sie Anfang Januar den Wahlkampfstand der  Grünen auf dem Kirchplatz in Jever an: „So, jetzt ist es für mich an der Zeit, bei den Grünen einzutreten.“ Enne Freese (83) stellte sich kurz vor und füllte noch vor Ort den Mitgliedsantrag aus.

Enne Freese, im Hintergrund ein Foto des Jahrgangs einer Bräuteschule, auf dem auch die Mutter von Almuth Thomßen zu sehen ist.   Bild: Reiner Tammen

Dabei kam Almuth Thomßen, grüne Ratsfrau in Jever, mit ihr ins Gespräch. Recht bald stellten sie fest: Die beiden Frauen waren sich schon vor langer Zeit begegnet: Beide hatten bei einem Verlag für Schulbücher gearbeitet, Enne Freese projektbezogen als Autorin und Almuth Thomßen als Lektorin.

Nach dem ersten Zusammentreffen am Wahlstand der Grünen nahm Almuth Thomßen schnell wieder Kontakt zu Enne Freese auf. Bei einem Gespräch wurde auch die „Bräuteschule“ thematisiert. Enne Freese hatte 2006 an einer ARD-Serie mitgearbeitet, in der gezeigt wurde, wie es in diesen „Bräuteschulen“ 1958 zuging. Rasch entstand die Idee, Enne Fresse bei einem grünen Stammtisch von ihrem Weg berichten zu lassen, wie sie von der „Bräuteschule“ zu den Grünen kam. Immerhin stand das Konzept der „Bräuteschule“ dem emanzipatorischen Ansatz der Grünen Partei diametral entgegen. Dabei zeigte sich, dass auch die Mutter von Almuth Thomßen einst eine Bräuteschule besucht hatte. Freese und Thomßen überlegten gemeinsam einen Ablauf, kramten in alten Unterlagen und fanden Fotos und Schnitte für Kleider. Auch eine DVD der ARD-Serie gab es noch.

Bei der Auswahl des Themas für diesen politischen Stammtisch hatte Almuth Thomßen offenbar einen guten Riecher, platzte der vorgesehen Raum im Parkhotel doch aus allen Nähten. Unter den knapp 40 Gästen waren sogar 5 Männer. Nach einer kurzen Einleitung von Thomßen, die ein Foto ihrer Mutter aus einer Bräuteschule präsentieren konnte, übernahm Enne Freese. Sie war bereits im Ruhestand, als die ARD Ende 2006 auf sie als Fachfrau aufmerksam wurde. Freese sollte als ehemalige Lehrerin der BBS Jever bei den Aufnahmen, aber vor allem bei der Ausstattung und Gestaltung des Drehortes beraten. Die Serie versuchte, die Bräuteschule aus den 1950er Jahren als Doku-Soap originalgetreu nachzustellen. So wurden in einem Casting 10 junge Frauen ausgewählt, die sechs Wochen lang wie 1958, abgeschirmt von der Umwelt und ohne Handy, Zigaretten oder irgendwelchen anderen Luxus ebenso wie einst auf das Leben vorbereitet werden sollten. Die jungen Frauen mussten entsprechende Kleider tragen und lebten in dieser Zeit abgeschieden von der Zivilisation in Mehrbettzimmern in einer alten Bildungsstätte im Hunsrück. Niemand durfte das Haus allein verlassen. Das Gebäude wurde originalgetreu im Stil der 1950er Jahre ausgestattet. Enne Freese berichtete darüber, dass sie den Geruch der alten Nähkästen noch immer in der Nase hat. 

Immer wieder demonstrierte Freese an dem Abend den Besucherinnen durch kleine Filmausschnitte, wie das Leben damals ablief. Dazu las Enne Freese zur großen Erheiterung der Zuhörerinnen einen Abschnitt aus einer englischen Zeitung von damals vor: Hier wurde den jungen Frauen erklärt, wie sie sich in der Ehe ihren Männern gegenüber zu verhalten hatten. Die Besucherinnen des Abends staunten dabei ebenso über die restriktiven Lebensbedingungen der 10 jungen Frauen in der Doku-Soap: Die Teilnehmerinnen durften nur einmal in der Woche mit einem Mitglied ihrer Familie oder ihrem Freund telefonieren, in Beisein der Leiterin der Bräuteschule. Daneben gab es den normalen Postverkehr, maximal zweimal pro Woche. Der letzte Filmausschnitt kam aus dem Teil mit dem Titel „Zusammenbruch“. Hier wurde deutlich, dass die jungen Frauen 50 Jahre nach 1958 mit dieser Situation von damals nicht zurechtkamen. Es gab Wutausbrüche, Verzweiflung und viele Tränen. Doch letztlich haben alle 10 Frauen die 6 Wochen in der Abgeschiedenheit der Vergangenheit überstanden. 

Begeistert waren die Zuhörerinnen darüber, wie klar, anschaulich und präzise Enne Freese sie mitgenommen hatte in eine längst vergangene Zeit. Zum Schluss berichtete Freese davon, wie sie sich persönlich im Laufe ihres Lebens weiterentwickelt hat: „Ich habe dem Frauenbild aus der Vergangenheit, aus der Nachkriegszeit, immer kritisch gegenübergestanden.“ Als dann die Grünen Ende der  1970er Jahre die politische Bühne betraten, habe sie schnell erkannt, dass hier ein neuer, feministischer politischer Weg eingeschlagen wurde. Als während des Bundestagswahlkampfes immer mehr auf die Grünen „eingeschlagen“ wurde, war dies der endgültige Anstoß, sich dieser Partei anzuschließen, mit immerhin 83 Jahren. Weitere Informationen unter https://gruene-friesland.de/.


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