Kreisverband, Jeverland

„Differenziertes Bild vom Leben in Israel gezeichnet“: Schriftsteller Marko Martin las aus seinem Buch „… jüdisches Leben nach dem 7. Oktober"

Jever. Die allermeisten Besucherinnen und Besucher verließen den Anton-Günther-Saal in Jever nach zwei Stunden mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. Die Textabschnitte, die der Berliner Schriftsteller Marko Martin aus seinem neuesten Buch „und es geschieht jetzt. Jüdisches Leben nach dem 7. Oktober“ und die anschließende Diskussion hatten deutlich gemacht: Um das Leben und die Lebensbedingungen der Menschen im Nahen Osten zu verstehen, braucht es mehr als eine Generation. 

Knapp 50 Besucherinnen und Besucher hatten den Weg ins Jeveraner Rathaus gefunden, um Marko Martin zu hören.

Einfache Rezepte und Antworten tragen nicht. Die Geschichten, die Marko Martin erzählt hat, öffneten den Besucherinnen zugleich die Augen für einen Realität, die viele Jüdinnen und Juden heute erleben, sowohl in Israel als auch in Deutschland. Ein Besucher meinte im Nachhinein: „Es ist so wichtig, dass wir als Gesellschaft diese Stimmen hören und daraus lernen, um gemeinsam für Respekt und Zusammenhalt einzustehen.“

Das Buch von Marko Martin erzählt vom Verlust, der Angst und der täglichen Bedrohung, aber auch von Hoffnung und dem Streben nach einer besseren Welt. Der Schriftsteller greift dabei Themen auf, die sowohl das jüdische Leben in Deutschland als auch die aktuelle Situation in Israel betreffen. Dabei ging es um die Wunden, die die Massenmorde der Hamas vom 7. Oktober 2023 hinterlassen haben, ebenso wie um das Schicksal der Geiseln und um die tiefen gesellschaftlichen Verwerfungen, die auch in Deutschland spürbar sind. Martin plädierte dabei für Tikkun Olam, die „Reparatur der Welt,“ und gibt den Geschichten von Einzelnen eine Stimme, um den Hass und die Polarisierung zu überwinden. 

„Der 7. Oktober 2023 war ein Schreckenstag, dessen Ausmaß noch immer nicht absehbar ist“, das machte Marko Martin bei der Lesung und seinen Antworten auf die Fragen aus dem Publikum immer wieder deutlich. Dabei beschreibt er die verschiedenen Facetten des Lebens im Jahr danach. Auf der einen Seite die sich polarisierende Öffentlichkeit, die Relativierungen und Rechtfertigungen. Auf der anderen die Jüdinnen und Juden in Deutschland und Israel, in deren täglichem Leben nichts ist wie zuvor. Die furchtbaren Bilder, der Verlust von Freunden und Verwandten, die Angst auf der Straße hier in Deutschland, und immer wieder die Frage: Was können wir tun? 

Das Jahr nach dem 7. Oktober führte Jüdinnen und Juden in verschiedene Abgründe: Immer wieder machen sie verstärkt die Ur-Erfahrung der Schutzlosigkeit, besonders nach den Bildern und der Konfrontation mit jubelnden Islamisten in deutschen Großstädten. In Israel haben Massenmord und Massaker der Hamas tiefe Wunden gerissen. Kindergärten, Bibliotheken, Kibuzzim waren plötzlich Orte des Terrors und der Vernichtung. Ähnlich geht es jüdischen Freunden von Marko Martin in Berlin, die sich inzwischen sehr genau überlegen müssen, ob sie ihre Kinder besser in eine jüdische Kita mit Polizeischutz oder möglichst unauffällig in eine normale Kita schicken, immer in der Sorge, was geschieht, wenn die religiöse Identität ihre Kinder auffällt. 

Anlass für die Lesung war der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, an dem an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor genau 80 Jahren erinnert wurde. Marko Martin war mit seiner Lesung einer Einladung von Bündnis 90 / Die Grünen in Friesland gefolgt. Zu Beginn hatten die Sprecherin des Grünen Ortsvereins Jeverland, Annika Kamplade und Rüdiger Schaarschmidt vom Kreisverband der Grünen in Friesland die Veranstaltung eröffnet. Rüdiger Schaarschmidt schloss den zweistündigen Abend mit dem hoffnungsvollen Gedicht „Rezept“ von Mascha Kaléko, einer jüdischen Dichterin, die 1936 mit ihrer Familie aus Deutschland fliegen musste und erst in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt. 

Die „Bücherstube Jever“ war an dem Abend mit einem Stand vertreten. Zahlreiche Besucher nutzen die Gelegenheit und ließen sich ihr Exemplar von Marko Martin signieren. 


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